Schwangerschaftsdiabetes (Gestationsdiabetes)
Die Schwangerschaft stellt für jede Frau eine besondere Lebensphase dar und bedeutet gleichzeitig eine große Verantwortung. Um die Schwangerschaft für Mutter und Kind möglichst sicher zu gestalten, werden verschiedene Untersuchungen angeboten und durchgeführt. Hierzu gehört auch der Zuckerbelastungstest, mit welchem getestet wird, ob der Blutzucker in der Schwangerschaft erhöht ist. Üblicherweise wird so ein Screening in der 24.-28. Schwangerschaftswoche mit dem „kleinen“ Zuckerbelastungstest mit 50 g Glukose (= Glucose Challenge Test), durchgeführt. Der Test kann zu jeder Tageszeit erfolgen und man muss hierfür nicht nüchtern sein. Liegt der Blutzuckerwert eine Stunde nach Trinken der Zuckerlösung bei 135 mg/dl oder darüber, besteht Verdacht auf einen Schwangerschaftsdiabetes (Gestationsdiabetes). Um klären zu können, ob tatsächlich ein Schwangerschaftsdiabetes vorliegt, wird zusätzlich der „große“ Zuckerbelastungstest mit 75 g Glukose (oraler Glukosetoleranztest = oGTT) durchgeführt. Es kann auch vorkommen, dass direkt der „große“ Test gemacht wird, wenn bereits Risikofaktoren vorliegen, die einen Diabetes in der Schwangerschaft begünstigen.
Wichtige Informationen
- Versichertenkarte (elektronische Gesundheitskarte)
- Überweisung der Praxis für Gynäkologie
- Mutterpass
- falls vorhanden: Laborwerte, Ergebnis Zuckerbelastungstest
- Halten Sie drei Tage vor dem Test normale Ess- und Trinkgewohnheiten ein, verzehren Sie die für Sie üblichen Kohlenhydratmengen.
- Am Vortag ab 22:00 Uhr müssen Sie bis zum Test nüchtern bleiben, d.h. nichts essen und nur kalorienfreie Getränke trinken, am besten Wasser.
- Vor dem Test dürfen Sie keine Diabetesmedikamente (z.B. Metformin) einnehmen, kein Kortison, Progesteron oder Schilddrüsentabletten (z.B. L-Thyroxin).
- Vor und während des Tests dürfen Sie nicht rauchen.
- Vor und während des Tests sollten Sie sich nicht außergewöhnlich stark körperlich belasten.
- Am Tag des Tests dürfen keine akuten Erkrankungen vorliegen.
- Sie können den Test nicht durchführen, wenn bei Ihnen eine Operation am oberen Magen-Darm-Trakt durchgeführt wurde (z.B. Magenverkleinerung).
- Der Test muss zwischen 6 und 9 Uhr morgens beginnen.
- Während des Tests sollten sie möglichst sitzen bleiben und sich wenig bewegen
- nüchtern < 92 mg/dl
- nach einer Stunde < 180 mg/dl
- nach zwei Stunden < 153 mg/dl
Liegt mindestens einer der Blutzuckerwerte im Test auf oder über der Grenze, wird die Diagnose Schwangerschaftsdiabetes gestellt.
Wenn bei Ihnen ein Schwangerschaftsdiabetes festgestellt wurde
Diagnose Schwangerschaftsdiabetes
Schätzungsweise sind mindestens 5 % aller Schwangeren in Deutschland von einem Schwangerschaftsdiabetes betroffen, vermutlich liegt die Dunkelziffer der nicht erfassten Fälle noch höher. Von 20 schwangeren Frauen hat also statistisch gesehen mindestens eine einen Schwangerschaftsdiabetes.
Ein Schwangerschaftsdiabetes kann gut behandelt werden. An erster Stelle steht die Lebensstiloptimierung. Hierzu zählen die Reduktion schnellwirksamer Kohlenhydrate sowie moderate Bewegung. Sollte eine Lebensstiloptimierung nicht ausreichend sein, stehen das Medikament Glucophage sowie verschiedene Insuline zur Verfügung. Ihr Diabetesteam wird Sie darüber umfassend informieren.
Wie kommt es zu einem Schwangerschaftsdiabetes?
Neben einer genetischen Vorbelastung spielen Übergewicht und Lebensstil eine wichtige Rolle bei der Entstehung eines Schwangerschaftsdiabetes. Dennoch können in einigen Fällen auch schlanke und gesund lebende Frauen einen Schwangerschaftsdiabetes entwickeln.
Eine wichtige Rolle bei der Entstehung eines Schwangerschaftsdiabetes spielt das Insulin. Insulin ist eine Art Schlüsselhormon, mit welchem Zucker (in Form von Glukose) aus dem Blutkreislauf in die Körperzellen aufgenommen werden kann. Man nimmt an, dass bei Schwangeren mit Schwangerschaftsdiabetes bereits vor Eintritt der Schwangerschaft eine Insulinresistenz (Insulin wirkt nicht richtig) und/oder Insulinsekretionsstörung (Insulin wird von der Bauchspeicheldrüse nicht richtig gebildet und ausgeschüttet) bestand.
Ab der zweiten Schwangerschaftshälfte entwickelt sich im Stoffwechsel jeder Schwangeren durch den veränderten Hormonhaushalt eine physiologische (= natürliche) Insulinresistenz. Normalerweise kann der Körper dies mit dem körpereigenen Insulin gut ausgleichen. Bei einer vorbestehenden Insulinresistenz und/oder Insulinsekretionsstörung kann der Körper dies jedoch nicht ausgleichen und den Blutzuckerspiegel nicht mehr in einem normalen Bereich halten. In der Folge liegt der Blutzuckerspiegel zu hoch, was im Blut direkt gemessen werden kann.
Um die Einstellung des Schwangerschaftsdiabetes kontrollieren zu können, ist die Selbstmessung des Blutzuckers erforderlich. Je nach Ergebnis im 75g-oGTT wird empfohlen, den Blutzucker morgens nüchtern sowie ein oder zwei Stunden nach Beginn der Hauptmahlzeiten morgens, mittags und abends (= postprandial) zu messen. Im weiteren Verlauf kann es auch sein, dass Blutzuckermessungen seltener oder häufiger erforderlich sind. Dies erklärt Ihnen Ihr Diabetesteam.
Warum ist die Kontrolle der Entwicklung des Kindes so wichtig?
Über die Plazenta und die Nabelschnur teilen Sie und Ihr Baby einen gemeinsamen Blutkreislauf. Über die Nabelschnur-Arterie bezieht Ihr Baby Sauerstoff und Nährstoffe, über die zwei Nabelschnur-Venen werden Abfallstoffe in den Blutkreislauf zurückgegeben. Auch Zucker kann über die Plazenta und die Nabelschnur übertragen werden, Insulin kann die Plazentaschranke jedoch nicht passieren – weder von Ihnen zum Baby noch umgekehrt. Wenn Ihr Insulinspiegel nicht ausreicht, um den Blutzucker im Normalbereich zu halten, erhält Ihr Baby über den gemeinsamen Blutkreislauf ein Zuviel an Zucker und reagiert mit einer vermehrten Ausschüttung von Insulin. Da Insulin ein „aufbauendes“ Hormon ist, wächst das Baby zügig, insbesondere am Bauch. Im schlimmsten Fall ist die Geburt mit einem sehr großen Kind erschwert, es wird eher ein Kaiserschnitt (Sektio) durchgeführt und das Risiko steigt, dass Ihr Kind nach der Geburt Glukoseinfusionen benötigt, da es auch nach der Entbindung weiterhin viel Insulin produziert und so der Blutzucker stark absinkt. Auch das sind zwar gut behandelbare Komplikationen, die jedoch vermeidbar sind.
Es kann sein, dass bei normalen Blutzuckerwerten und einem erhöhten Bauchumfang des Babys Insulin die beste Entscheidung für Sie ist. Denn wenn Sie Insulin von außen geben, produziert der Körper – auch der des Babys – weniger Insulin.
Betreuung während der Schwangerschaft
Biometrie mittels Ultraschall
Zur engmaschigen Kontrolle der Entwicklung des Babys sollte die Vermessung (Biometrie) mittels Ultraschall (Sonografie) ab der 24. Schwangerschaftswoche häufiger, d.h. etwa alle drei Wochen durchgeführt werden. Je nach Vorbefunden, Begleiterkrankungen und Komplikationen können Ultraschalluntersuchungen gegebenenfalls auch häufiger durchgeführt werden.
Diabetologische Kontrollen
Auch die Abstände zur Vorstellung in der Diabetologie sind vom Verlauf der Schwangerschaft und der Therapie abhängig. Bitte bringen Sie zu jedem Termin Ihren Mutterpass mit, sodass Ihr Diabetesteam die eingetragenen Ultraschalluntersuchungen beurteilen kann. Denken Sie auch daran, Ihr Blutzuckertagebuch mitzubringen.
Die Wahl des Krankenhauses und Aufenthalt
Optimal: Entbindungsklinik mit Perinatalzentrum (Level 1 oder 2)
Als Schwangere mit Schwangerschaftsdiabetes gelten Sie grundsätzlich als „Risikopatientin“.
Wird der Schwangerschaftsdiabetes diätetisch behandelt, also ohne Insulin, sollten Sie daher zumindest prüfen, welche Entbindungskliniken mit Perinatalzentrum (Level 1 oder 2) wohnortnah vorhanden sind und in Erwägung ziehen, dort zu entbinden.
Spätestens jedoch bei einer Insulintherapie zur Behandlung des Schwangerschaftsdiabetes sollten Sie sich für eine solche Klinik entscheiden. In diesen Kliniken steht eine Neugeborenen-Intensivstation zur Verfügung, sodass Ihr Baby im Ernstfall optimal von einem gut ausgebildeten Team versorgt werden kann.
Informieren Sie das Ärzteteam der Klinik etwa um die 34. Schwangerschaftswoche, dass bei Ihnen ein Schwangerschaftsdiabetes vorliegt und wie dieser behandelt wird (diätetisch/mit Insulin). Bringen Sie auch hier zum Vorgespräch Ihren Mutterpass und das Blutzuckertagebuch mit.
Nach der Entbindung – wie geht es weiter?
Bei den meisten Frauen mit Schwangerschaftsdiabetes normalisieren sich die Blutzuckerwerte kurz nach der Entbindung wieder. Jedoch entwickeln 35-60 % dieser Frauen in den folgenden 10 Jahren einen manifesten Diabetes., Verschiedene Arten eines gestörten Zuckerstoffwechsels (ohne Diabetes) zeigen sich im ersten Jahr nach Entbindung auch bereits bei 20 % der europäischen Frauen.
Das Risiko für die Entwicklung eines manifesten Diabetes ist besonders dann erhöht, wenn vor der Schwangerschaft starkes Übergewicht (Adipositas) bestand, der Schwangerschaftsdiabetes bereits vor der 24. Schwangerschaftswoche festgestellt wurde, der Blutzuckerwert nach einer Stunde im 75-g-OGTT über 200 mg/dl oder der HbA1c-Wert bei der Diagnose Schwangerschaftsdiabetes über 5,7 % gelegen hat.
Daher wird empfohlen, den 75-g-OGTT bereits sechs bis zwölf Wochen nach der Entbindung zu wiederholen. Somit kann frühzeitig festgestellt werden, ob die Zuckerwerte sich normalisiert haben oder weiterhin erhöht sind. Der Test kann unabhängig vom Stillen durchgeführt werden. Es gelten hierbei die Grenzwerte für einen Zuckerbelastungstest außerhalb der Schwangerschaft.
- nüchtern < 126 mg/dl
- nach zwei Stunden < 200 mg/dl
Wenn einer der beiden oder beide Werte über den Grenze liegen, wird ein Diabetes mellitus diagnostiziert. Bei einem nüchtern gemessenen Blutzuckerwert bei 100-125 mg/dl spricht man von einer abnormen Nüchternglukose. Liegt der Blutzucker nüchtern unter 126 mg/dl und nach zwei Stunden bei 140-199 mg/dl wird eine gestörte Glukosetoleranz diagnostiziert.